Als Tierinspektorin unterwegs: Interview mit Susanne Ohlendorf

Tierinspektorin Susanne Ohlendorf mit zwei Hunden.

In Hannover gibt es die Möglichkeit, Tierquälerei oder die Vernachlässigung von Tieren anonym bei der Tierinspektion des Tierheims Hannover zu melden. Drei Mitarbeiterinnen des Tierschutzvereins gehen dann den Meldungen nach und besuchen die betroffenen Haushalte, um sich nach dem Wohl der Tiere und den Haltungsbedingungen zu erkundigen.

Falls die Vorwürfe stimmen und eine Gefährdung des Wohls und der Gesundheit der Tiere vorliegt, werden Aufklärung und Hilfestellung angeboten und Maßnahmen vereinbart. In Fällen, wo das nicht reicht, wird das Veterinäramt hinzugezogen.

Jeden Tag gehen neue Meldungen im Tierschutzverein ein. Erst vor Ort wird entschieden, wie viel Zeit investiert werden muss, oder ob manche Haushalte mehrfach kontrolliert werden müssen. Dies alles läuft im Rahmen der Tierschutzarbeit und wird von diesen drei Personen abgedeckt.

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Aus dem Fernsehen bekannt ist Frau Ohlendorf, die mehrfach für die Sendungen Achtung, Kontrolle! (Kabel1), Mein Revier und Menschen, Tiere und Doktoren begleitet wurde.

Susanne Ohlendorf ist eine fröhliche, patente Frau, die sich weder von unfreundlichen Menschen noch schwierigen Situationen einschüchtern lässt und diese belastende Arbeit mit Humor und Pragmatismus bewältigt. Das hat uns neugierig gemacht. Deshalb freuen wir uns, dass die Tierinspektorin uns ein Interview gegeben hat. Sie sprach mit uns über ihren Job, die Probleme von missverstandener Tierliebe und oft vergessener Kosten.

Interview

Frau Ohlendorf, Sie sind Tierinspektorin. Wie kommt man zu so einem recht unbekannten Beruf?

Ja, dieser Beruf ist immer noch recht unbekannt, auch wenn er durchs Fernsehen schon etwas bekannter geworden ist. Eine Freundin, die hier bereits gearbeitet hat, gab mir den Tipp. Eigentlich sollte ich im Büro des Tierschutzvereins anfangen zu arbeiten, hatte aber die Möglichkeit bei einer Inspektorensitzung mit dabei zu sein. Und das fand ich sehr interessant, musste aber noch den Chef überzeugen: Der wollte kein “Mädchen”, er wollte nur Männer. Denn er sagte, das sei zu gefährlich, da müssten Männer ran, aber ich konnte ihn doch überzeugen.
Und gibt es dafür eine spezielle Aus- oder Weiterbildung?

Nein, es gibt bis heute keine spezielle Ausbildung- oder Weiterbildung, aber wir nehmen an Seminaren teil. Durch meine Familie bin ich aber mit vielen Tieren großgeworden: Pferde, Hunde, Katzen und Kleintiere.

Man sollte schon etwas über Tiere wissen. Krankheiten können wir aber natürlich auch nicht diagnostizieren, wir sind keine Tierärzte. Jedoch habe ich mir durch jahrelange Erfahrung einiges angeeignet, um Tiere einschätzen zu können. Manchmal sind Menschen da schwieriger …
Das ist ein gutes Stichwort: der komplizierte Umgang mit den Menschen. Sie sind ja nicht gerade gern gesehen!

Zumindest nicht immer bei den Meldungen, meistens aber bei den Nachkontrollen. Gelegentlich sind die Halter nicht erfreut mich zu sehen und regen sich auf, vor allem wenn man die 5. oder 6. Institution ist, die dort vor der Tür steht. Manchmal war das Jugendamt oder das Veterinäramt vor mir da.

Und dann komme ich auch noch vom Tierschutzverein! Ich gehe aber immer locker und lustig mit den Menschen um, deswegen reden die meisten dann letztendlich auch gerne mit mir. Es ist im letzten Jahr glaube ich nur einmal vorgekommen, dass mir jemand seine Tiere nicht zeigen wollte.

Das ist ja das Schwierige: Wenn man an die Halter nicht herankommen kann, bekommt man die Tiere auch nicht zu sehen. Ich muss also erst einmal erreichen, in die Wohnung oder in den Stall gelassen zu werden, um mir dann ein Bild über die Situation machen zu können.

Es kommt vor, dass die Halter sehr aufgebracht sind und sie wissen wollen, wer sie angezeigt hat. Das ist verständlich, aber diese Daten gebe ich nicht weiter, das ist Datenschutz. Dann kläre ich sie auf, dass sie keine Anzeige bekommen haben, aber dass uns ein Problem bezüglich der Tierhaltung gemeldet wurde und wir reden darüber.
Was genau gefällt ihnen denn am besten an Ihrer Arbeit? Was ist ihre Motivation dafür?

Tierheim Hannover: Logo/Banner
Susanne Ohlendorf arbeitet bei der Tierinspektion des Tierheims Hannover.

Jeder Tag ist anders, man weiß vorher nie, was passiert. Man weiß auch nie, ob an den Meldungen etwas dran ist. Gerade gestern habe ich mit einer Melderin gesprochen, die so doll geweint hat, dass ich sie gar nicht mehr verstehen konnte – nur wo die betreffenden Menschen wohnen, wollte sie mir nicht sagen. Sie hatte Angst vor den Hundehaltern, die gefährlich seien. Ich habe sie beruhigt und ihr gesagt, dass ich mich kümmern werde, wenn ich die Adresse bekomme.

Es sind auch nicht immer alle gemeldeten Personen gefährlich. Manchmal sind es reine Missverständnisse oder Meinungsverschiedenheiten. Oft werden dann Geschichten draus gemacht, bei denen nach den Aussagen der Melder Polizeischutz nötig wäre, doch oft ist das übertrieben.

Genau das macht meine Arbeit aber auch interessant: „Ich weiß nie, was heute passiert“.
Gab es auch schon mal brenzlige Situationen, wo es vielleicht gekippt ist oder Sie bedroht wurden?

Oh ja, die gab es auch schon, sogar ein paarmal. Mich wollte tatsächlich schon mal jemand einsperren und mir das Handy wegnehmen; der war aber auch sehr betrunken. Und auch bei Straftätern bin ich schon gewesen, einmal sogar bei einem Mörder, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht.

Ich gehe da auch nicht mit Angst ran und möchte vorher auch gar nicht wissen, ob die Leute vielleicht Alkoholiker oder drogenabhängig sind, damit ich mir ein neutrales Bild machen kann.
Sind Sie denn allein unterwegs oder immer mit Kollegen? In der letzten Folge, die ich gesehen habe, waren Sie in Begleitung unterwegs?

Das war nur für die Sendung „Mein Revier“, da sollte ein Mann dabei sein. Ich habe schon aus Spaß gefragt, was das soll. (lacht)

In diesem Fall war es aber ok, da wir mehrere Tiere mitnehmen mussten. Normalerweise bin ich allein unterwegs, genau wie die beiden anderen Kolleginnen und hole mir nur bei Bedarf unterstützende Hilfe.
Haben Sie einen Effekt durch die Ausstrahlung der Sendung Achtung, Kontrolle! bemerkt? Melden nun mehr Menschen Vorfälle?

Nein, so einen großen Unterschied hat das nicht gemacht. Es stand auch schon oft genug in der Zeitung, dass der Tierschutzverein sich um solche Fälle kümmert.
Nimmt man auch mal Schicksale “mit nach Hause”, die einen dann persönlich noch sehr beschäftigen?

Ja, definitiv. Aufreibend sind auch Meldungen, wo man keinen Kontakt zu den Leuten herstellen kann und sich dann fragt, was da gerade mit den Tieren passiert und ob da etwas dran ist. Aus diesem Grund fahre ich auch gerne mehrmals los. Es macht schon etwas aus vor Ort mit den Haltern persönlich zu sprechen, so dass sie merken, dass ich ein Auge auf sie habe. Dann gehen sie vielleicht statt einmal, dreimal mit dem Hund raus. Auch andere Personen im Umfeld achten dann vermehrt darauf, wie es den Tieren geht. Im Schnitt sind es wohl acht von zehn Haltern, die sich an meine Auflagen halten. Zwei hingegen lassen alles beim Alten.

Wenn ich sehe, dass ich überhaupt nicht vorwärts komme, dann schalte ich das Veterinäramt ein. Das ist natürlich für viele Halter noch unangenehmer, da Kosten durch das Veterinäramt berechnet werden, die sie als Halter tragen müssen, anders als bei uns.
Mal eine andere Frage: Es gibt ja Animal Hoarding, also Menschen, die viel zu viele Tiere halten und ihnen kein artgerechtes Leben mehr ermöglichen. Ist das nach Ihrer Einschätzung eher ein neueres Phänomen?

Nein, das gab es früher auch schon. Durch die Medien ist es heutzutage aber sehr bekannt geworden.

Als der Begriff aufkam, wurde man häufiger gefragt, was das ist, aber eigentlich gibt es Animal Hoarding schon lange. Wenn jemand 24 Meerschweinen und 13 Kaninchen hat, gehört er auch zu dieser Zielgruppe. Auch wenn alles sauber und ordentlich wäre: Schnell vermehren sich die Tiere unkontrolliert, und ohne Geld kann man die Tiere weder kastrieren oder Krankheiten behandeln lassen. Schnell sind die Halter überfordert.

Gerne sagen diese Menschen dann, dass sie die Tiere gerettet haben, da sie sonst ins Tierheim gekommen wären – dort aber würden die Tiere wenigstens behandelt werden, entgegne ich dann. Das ist oft falsch verstandene Tierliebe. Ich würde ja auch gern noch zehn Hunde mehr zu Hause haben, aber wenn mein einer Hund mich schon Pleite macht, geht das eben nicht.
Sie haben ja auch viel mit Kleintieren wie Kaninchen und Meerschweinchen zu tun. Diese werden ja leider oft als Spielzeugersatz für Kinder angesehen und sind überall frei verkäuflich. Wie bewerten Sie diese Problematik?

In meinem Aufgabenbereich spielt die Aufklärung eine sehr große Rolle. Wenn jemand bei uns im Tierheim einen Goldhamster für seinen 3jährigen Sohn haben möchte, sagen wir ihm auch, dass das Kind damit nichts anfangen kann. Denn der Hamster ist nachts wach, schläft tagsüber und könnte auch mal beißen. Was soll ein kleines Kind also mit so einem Tier?

Und was meinen Sie, wie viele Leute mir in meiner Arbeit ihre Tiere direkt “schenken”, also mitgeben wollen! Sei es ein altes Pony oder ein Graupapagei … Ich habe letztens tatsächlich einmal selber schon aus der Not heraus einige Vögel mitgenommen. Also man muss schon ein Herz für Tiere haben, um diesen Beruf machen zu wollen. Es macht Spaß aber es nimmt mich auch schon sehr mit, wenn ich nicht weiterkomme …

Trotzdem würde mir die Arbeit nicht so viel bedeuten und Spaß machen, wäre ich nicht schon 12 Jahre dabei!
Was wäre denn ein allgemeiner Wunsch, den Sie für das Zusammenleben von Mensch und Tier hätten?

Die Tierheime platzen aus allen Nähten und trotzdem wollen viele Menschen züchten. Warum? Wenn ich so etwas höre, werde ich böse. Ich sehe doch fast täglich, wo diese Tiere dann landen, bestenfalls im Tierheim. Schlimmstenfalls werden sie rausgeschmissen. Durch das Internet wird das noch viel einfacher, das finde ich furchtbar.

Beim Thema Katzen hoffen wir natürlich auf eine gesetzlich vorgeschriebene Kastrationspflicht, auch wenn das schwer zu kontrollieren wäre. Aber es würde unsere Arbeit erleichtern und viel Tierleid verhindern.
Eine Frage hätte ich noch: Gibt es eine bestimmte Geschichte, weswegen Sie Ihren Beruf lieben? Weswegen stehen Sie jeden Tag dafür auf?

Das ist für mich einfach das Gesamtpaket.

Zwar muss und kann ich nicht jedes Tier retten, aber ich kann versuchen, die Halter umzustimmen und aufzuklären. Und wenn ich dann bei erneuten Besuchen sehe, dass es geklappt hat, kann ich für die nächste Zeit etwas beruhigter sein.

Mit den Menschen zu reden macht Spaß, die meisten werden auch freundlich, wenn man einen Draht zueinandergefunden hat. Und selbst wenn ich mal angebrüllt werde: Irgendwann beruhigt es sich und man redet miteinander.

Als Tierinspektorin muss ich mich schnell auf neue Situationen und Menschen einstellen können. Vielleicht habe ich hintereinander eine Meldung mit Haltern, die in einer noblen Hütte wohnen und danach eine Messie-Wohnung mit einem Drogenabhängigen. Allerdings sagt die Wohnsituation erstmal nichts darüber aus, wo es dem Tier gut- oder schlechtgeht.

Oft ist meine Arbeit anstrengend. Ich bin dann froh, heile und in einem Stück wieder zu Hause zu sein. Aber im Großen und Ganzen macht es mir viel Spaß und wenn dann noch Erfolgserlebnisse hinzukommen, freue ich mich besonders: Mehr will ich gar nicht.

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